Milton H. Erickson: Hommage an den Pionier der Hypnotherapie
Milton Hayland Erickson war der Begründer der modernen Hypnotherapie.
Der amerikanische Psychiater lebte vom 5. Dezember 1901 bis 25. März 1980. Dank Erickson fand die Hypnose Einzug in die moderne Psychotherapie. Milton Erickson engagierte sich als Herausgeber des American Journal of Clinical Hypnosis für die Verbreitung der Hypnosetherapie und gründete die American Society for Clinical and Experimental Hypnosis.
Was ist Hypnose? Kurze Erklärung
Hypnose leitet sich ab von Hypnos (altgriechisch Ὕπνος Hýpnos = Schlaf). Tatsächlich aber geht es bei einer hypnotherapeutischen Intervention nach Erickson nicht darum, den Patienten in Schlaf zu versetzen und ihm in seiner Abwesenheit etwas zu suggerieren (lat. subgerere = unterschieben, eingeben). Tatsächlich arbeitet die Hypnose mit dem Phänomen der Aufmerksamkeit.
Milton Erickson war ein unermüdlich an sich selbst arbeitender Mensch
Anders als psychotherapeutische Theoretiker war Erickson ein Mensch, der sein Leben lang mit vielen gesundheitlichen Problemen zu tun hatte. Seine Interventionen hat er an sich selbst, also am lebenden Objekt entwickelt. So berichtet Dr. Gunther Schmidt, Begründer des hypnosystemischen Ansatzes, über die ersten Erfahrungen Ericksons mit Hypnose und Selbsthypnose.
Milton Erickson: aus dem Koma in ein bewusstes Leben
Schon der junge Milton Erickson war von Krankheit gezeichnet. Farbenblindheit und Legasthenie waren nur zwei seiner Einschränkungen.
Als junger Mensch schrieb er Artikel für Zeitschriften. Hier entstanden erste autohypnotische Erlebnisse:
Als Legastheniker hatte er Probleme mit dem Erkennen von Buchstaben. Überwinden konnte er diese Probleme nur durch intensives Üben, bis er die Buchstaben in Form visueller Halluzinationen erkannte.
1919 erkrankte er schwer an Kinderlähmung. Er war fast vollständig gelähmt und dem Tode nahe.
Seine Eltern, einfache Farmer, hatten nicht das Geld für eine aufwendige Therapie.
- Als es dem 18jährigen Erickson zunehmend schlechter ging, riefen seine Eltern einige Landärzte nach Hause. Diese sagten zu den Eltern: Ihr Sohn wird den nächsten Morgen nicht erleben.
- Als Erickson dies hörte (so erzählt es Gunther Schmidt), war er erschüttert über die Herzlosigkeit, mit der seine Eltern über seinen angeblich bevorstehenden Tod informiert wurden.
- Er bat seine Eltern mit letzter Kraft, sein Bett so zu drehen, dass er am nächsten Morgen die aufgehende Sonne sehen würde.
- Da das Zimmer zu klein war, um das Bett vollständig zu drehen, wurde ein Spiegel aufgestellt. Erickson sah den Sonnenaufgang im Spiegel.
Danach fiel er ins Koma.
Als er wieder erwachte, war er vom Hals abwärts vollständig gelähmt.
Diese Erfahrungen haben in Milton Erickson einen unbändigen Lebenswillen entstehen lassen. Da er sich nicht bewegen konnte, konzentrierte er sich aufs Beobachten. Er studierte die Menschen, ihr Verhalten, ihre Kommunikation.
Dann geschah die Sache mit dem Schaukelstuhl. Auch dies berichtet Dr. Gunther Schmidt ausführlich.
Im Schaukelstuhl begann Erickson mit der Entwicklung der Hypnotherapie
Die Farmersleute Erickson waren draußen auf den Feldern – den jungen Milton, der sich nicht bewegen konnte, setzten sie auf einen Schaukelstuhl und banden ihn dort an, weil er sich selbst nicht halten konnte. Immer wieder kam jemand vom Feld zu ihm, um nach ihm zu schauen und ihn ein wenig zu schaukeln.
Eines Tages aber vergaßen sie das.
Erickson aber wollte unbedingt mit dem Schaukelstuhl näher ans Fenster.
Nach einiger Zeit bemerkte er, wie sich der Stuhl ganz sanft zu bewegen begann. Erst dachte er, dass es sich um ein Erdbeben handelte, dann aber stand fest: Milton H. Erickson hatte soeben eine der entscheidenden Interventionen an sich selbst durchgeführt.
Seine Aufmerksamkeit war so stark auf die Sehnsucht der Bewegung in Richtung Fenster fokussiert, dass in seinem Körper etwas passierte.
Erickson entdeckte das Prinzip der Ideomotorik
Tatsächlich gelang es ihm, durch intensives Visualisieren und halluzinative Arbeit seine gelähmten Muskeln wieder zu aktivieren.
Entdeckungen
Erickson wandte sich gegen die herkömmliche Suggestivhypnose. Diese war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschend in der Psychotherapie.
Übersicht der Interventionstechniken von Erickson:
- indirekte Suggestionen ein
- eingestreute Suggestionen
- Metaphern
- hypnotische Phänomene wie Armlevitation (ideomotorisches Signalisieren)
- Evozierung impliziter Gedächtnisinhalte, prozeduralen Wissens und episodischer Erfahrungen
therapeutisches Tertium - „Das Unbewusste schützt das Bewusste.“ Prinzip des Reframing von Symptomen
- Einsatz von Symptomen, Amnesie oder Dissoziation zum Schutz der Person
- Utilisationsansatz (Prinzip von Pacing und Leading) in Abgrnzung zur Pathologieorientierung und Defizitorientierung von Psychoanalyse und Verhaltenstherapie
- Einführung und Betonung der Ressourcen- und Lösungsorientierung
Erickson: mehr Praktiker als Theoretiker der Hypnotherapie
Milton H. Erickson interessierte sich viel mehr für das Individuum als für Lehrmeinungen. Deshalb gibt es zahlreiche Bücher über ihn, jedoch nicht von ihm. Von Erickson direkt überliefert sind zahlreiche Videomitschnitte und Transkripte seiner legendären Therapie.
Ständiges Sammeln von Informationen über die Klienten
William Hudson O’Hanlon beschreibt in seinem Buch „Psychotherapie ohne Dogma: Eckpfeiler: Grundlegende Prinzipien der Therapie und Hypnose Milton H. Ericksons: BD 3“ –
„Man kann aus Ericksons Arbeit entnehmen, dass er während des gesamten Verlaufes der Therapie seinen diagnostischen Prozess weiterführte. Die meisten Therapeuten erstellen ihre diagnostische Beurteilung am Anfang der Therapie und begründen ihre übrigen Interventionen auf diese anfängliche Diagnose. Erickson benutzte zur Beschreibung der Patienten selten psychiatrische Diagnosen, da er diese Beschreibungen für zu allgemein hielt, als dass man darauf eine Therapie gründen könnte. Er schien ein größeres Interesse an der Aufdeckung der Reaktionsmuster und -formen seine Patienten zu haben. Worauf würden diese ansprechen?“
Dieses Zitat beschreibt, mit wie viel Wertschätzung und Offenheit Milton Erickson den Patienten begegnete.
Er erkannte und achtete die Wahrnehmung der Menschen in ihrer Einzigartigkeit.
Jedes Individuum erlebt alles anders – deshalb bringen standardisierte Verfahren in der Psychotherapie wenig
Die Wahrnehmung des Individuums verändert sich ständig:
- Im Kontext der Erfahrungen.
- Im Zusammenhang mit den Erwartungen.
- Als Folge von therapeutischen Interventionen
Bücher über die Interventionen von Milton H. Erickson
My Voice Will Go with You: Teaching Tales of Milton H. Erickson: The Teaching Tales of Milton H. Erickson
Milton H. Ericksons gesammelte Fälle
Milton Erickson lebt! (Leben lernen, Bd. 244): Eine persönliche Begegnung. Einzigartige Farbfotos und Originaltranskripte
Von Milton H. Erickson beeinflusste Therapeuten des 20. und 21. Jahrhunderts
Erickson beeinflusste viele Vertreter der modernen Psychotherapie:
- Gregory Bateson
- Jay Haley
- Paul Watzlawick
- Gunther Schmidt
- John Grinder
- Steve de Shazer
- David Cheek
- Ernest Rossi
- Jeffrey Zeig
- Steve und Carol Lankton
- Michael Yapko
Im September 1978 wurde die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose, Deutschland (M.E.G.) gegründet.